„Hallervorden-Spatz-Syndrom“ (HSS) und „Seitelberger Krankheit“
Überholte Bezeichnungen mit Nazivergangenheit, die nicht mehr verwendet werden sollten.
Hoffnungsbaum e.V. setzt sich dafür ein, dass für NBIA-Erkrankungen die korrekten, internationalen und spezifischen Bezeichnungen, meist abgeleitet von den betroffenen Proteinen bzw. Genen, verwendet werden. Bei Verwendung der beiden überholten, hier näher beleuchteten Eponyme, sollte immer auf die Problematik der Bezeichnungen hingewiesen und mindestens zur Kennzeichnung ein „vormals“ oder „ehemals“ vor die Bezeichnungen gestellt werden.
Die korrekten Bezeichnungen und Informationen zu den einzelnen NBIA-Varianten finden Sie hier: Infos zu NBIA
Hintergründe zum Eponym „Hallervorden-Spatz-Syndrom“ (HSS)
Julius Hallervorden und Hugo Spatz waren zwei prominente Hirnforscher, die in der Zeit des Nationalsozialismus in das sogenannte „Euthanasie“-Programm verstrickt waren. Sie waren 1922 die Ersten, die eine NBIA-Erkrankung beschrieben. So galt „Hallervorden-Spatz-Syndrom“ (HSS) zunächst als Bezeichnung für die heute als Pantothenatkinase-Assoziierte Neurodegeneration (PKAN) bekannte NBIA-Variante und wurde später teilweise auch als Synonym für andere NBIA-Erkrankungen verwendet. Heute sind mindestens zehn NBIA-Varianten bekannt, die auf unterschiedliche Genmutationen zurückzuführen sind und jeweils einen eigenen Krankheitsmechanismus und -verlauf haben. Aufgrund dieser Unschärfe, vor allem aber wegen der weitreichenden Verstrickungen von Julius Hallervorden und Hugo Spatz in die systematischen Behinderten- und Krankenmorde der Nazis, sollte das Eponym HSS heute nicht mehr verwendet werden.
„Hallervorden-Spatz-Syndrom“ (HSS) in der ICD-10
Trotz oben beschriebener Problematik bekommen auch heute noch viele NBIA-Betroffene die Diagnose „G23.0 Hallervorden-Spatz-Syndrom“, da in der ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) die einzelnen NBIA-Varianten noch nicht gelistet sind. Die zusätzliche Nennung der korrekten und je nach Variante spezifischen Bezeichnungen ist angebracht und notwendig.
Für die Zukunft hat Hoffnungsbaum e.V. zusammen mit der NBIA Disorders Association und führenden NBIA-Forschenden dafür gesorgt, dass in der ICD-11 (Nachfolger der ICD-10) statt HSS alle zehn NBIA-Varianten mit ihren korrekten Bezeichnungen und Unterformen gelistet werden.
Hintergründe zum Eponym „Seitelberger Krankheit“
Auch das Eponym „Seitelberger Krankheit“ lässt in die Abgründe der nationalsozialistischen Machenschaften blicken. Der Namensgeber Franz Seitelberger habilitierte bei Hallervorden und benutzte dabei Gehirne aus Hallervordens Sammlung, die nachweislich von drei Kindern stammen, die im Rahmen der sog. „Euthanasie“ ermordet wurden.
Der heute korrekte Krankheitsname ist Phospholipase A2-Assoziierte Neurodegeneration (PLAN) bzw. deren frühkindliche Unterform Infantile Neuroaxionale Dystrophie (INAD).
Quellen:
- https://www.t4-denkmal.de/Julius-Hallervorden
- https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/2002_4_2_schmuhl.pdf
- https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0038-1637832.pdf
- https://www.news4teachers.de/2017/07/spaete-konsequenz-uni-giessen-entzieht-weiterem-prominenten-hirnforscher-posthum-die-ehrung/
- https://www.spiegel.de/politik/tiefstehende-idioten-a-c4ea7783-0002-0001-0000-000028990692
- https://www.aerzteblatt.de/archiv/27161/Medizin-in-der-NS-Zeit-Hirnforschung-und-Krankenmord